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Charlotte Michel-Biegel

Fachtagung Familienpolitik "Gute Chancen für alle Familien - Trend, Herausforderungen und politische Perspektiven", Berlin, 12.09.2023

Nachlese

Auf diese Tagung hatte ich mich gefreut. Meine Erwartungen: Diskurs, Austausch, Gespräche mit Fachleuten und PolitikerInnen, gemeinsam Antworten suchen. Es gab Podiumsdiskussionen und in Kleingruppen Fishbowl-Gespräche.

 

Auf ein paar Aussagen der Fachleute auf dem Podium meine Anmerkungen:

Tilmann Prüfer (einziger Mann auf dem Podium), der interessante Literatur zum Thema geschrieben hat, zu den „neuen“ Vätern: „……….Der neue Vater ist eigentlich der alte Vater, nur mit einem schlechten Gewissen“. Frau Allmendinger (Soziologie-Professorin): „bestenfalls“.

Gibt es diese neuen Väter gar nicht? Die, welche mitgehen zur Schwangerschaftsgymnastik, bei der Geburt dabei sind, Erziehungsurlaub nehmen, mit den Kindern zum Sport gehen, zur medizinischen Behandlung….? Zugegebenermaßen und statistisch belegt sind wir noch lange nicht am Ziel einer gleichberechtigten Elternschaft. Aber, dass nach mehreren Jahrzehnten nicht mehr zu sehen ist, als ein schlechtes Gewissen, stimmt einfach nicht. Das Fazit des Herrn Prüfer: „Es muss sich bei Männern etwas ändern in der Birne“. Und bei den Frauen, die diese Männer erzogen haben, die weiterhin Männer erziehen, die mit Männern zusammenleben und Familien haben? Wieso werden hier, gerade bei diesem Thema und diesem Format die Gräben zwischen den Geschlechtern wieder aufgerissen?  (s. Thema: „Trends, Herausforderungen, Perspektiven“)

 

„Für Mütter wurde in den letzten Jahren wenig getan…..plötzlich, nach einer Trennung sollen die Mütter auf eigenen Füßen stehen“

Wieso plötzlich? Auch, wenn tatsächlich eine Trennung plötzlich ist. Haben wir als Frauen in den letzten 50 Jahren nicht gelernt, auch „auf eigenen Füßen“ zu stehen? Haben wir nicht Berufe erlernt, studiert, sind wir nicht berufstätig? Zugegebenermaßen haben Familie und Erziehung Anforderungen, die eine Unabhängigkeit der Frauen nicht in dem Maße erlauben - aber nur der Frauen? Die wenigsten kriegen ihre Kinder sofort nach der Schule, Durchschnittsalter beim ersten Kind in Deutschland:  33 Jahre.  Auch mit Kind behalte ich mein Hirn und bin mehr oder weniger vorbereitet auf „eigene Füße“.  Ich weiß auch, dass der Unterhalt oft wesentlich weniger ist, als mein Verdienst, aber hier dreht es sich um einige Jahre. Waren alle Angebote des Arbeitsamtes und alle Maßnahmen zur Wiedereingliederung oder die anteilige Aufrechnung …………umsonst? Dann ist hier nachzubessern und uns nicht zu Opfern machen zu lassen.

Übrigens: in meiner Praxis habe ich auch schon viele Väter erlebt, die es nach der Trennung/Scheidung von den „Füßen haut“. Finanziell, psychisch, familiär.

 

„…dass wir viel für Väter tun, aber sie können nicht…“

Diese Aussage wurde einfach hingenommen. Warum „können“ sie nicht? Man muss davon ausgehen, dass anwesende PolitikerInnen, SoziologInnen, PolitologInnen und andere WissenschaftlerInnen dieses Bereichs genau wissen, aus welchen Gründen Männer „nicht können“. Denn hierzu gibt es Studien und Aussagen bzgl. Vereinbarkeit Familie und Beruf und andere zielführende Themen. Diese Themen sind keine Frauenthemen, sondern betreffen unsere Gesellschaft.

Ich muss auch infrage stellen, dass „wir viel für Väter tun“. Wenn wir damit unzufrieden sind, müssen wir schauen, dass wir mehr tun, andere Kooperationspartner finden (Arbeitgeber, Gewerkschaften, elternorientierte Beratungen, familiengerechte Politik)

Was ein Haufen von Kapitulationen!

 

„…..müssen beim Wechselmodell auch partnerschaftliche Gewalt mitdenken…“

Warum? Sind alle Männer/Väter per se gewalttätig? Ich will nicht infrage stellen, dass bei Gewalttaten in der Familie meistens die Männer die Täter sind. Aber der Umkehrschluss, also alle Männer/Väter sind gewalttätig, kann nicht gelten. Eine Gewalttat ist eine Straftat, muss also angezeigt werden. 

 

 

„…..mein Ex-Mann und ich haben das Wechselmodell, bezeichnen uns beide als Alleinerziehende“

 

 

„Manchmal sind die Väter keine Väter für die Kinder“

Frage: Sind vielleicht auch manchmal die Mütter ….? Und wer entscheidet, ob Mutter oder Vater keine solche für die Kinder sind? Ich, die Mutter? Oder ich, der Vater? Weil ich enttäuscht bin? Warum ist das hier auf dem politischen Podium? Sollte es rechtlich und politisch Auswirkungen haben?

 

Auch bei Wechselmodell: „Mental Load lässt sich nicht halbieren“

Das sehe ich auch so. Niemand sagt, dass das Wechselmodell einfach ist. Im Gegenteil. Es erfordert mehr Absprachen, Organisation, gegenseitige Akzeptanz. Abgesehen vom Wechselmodell: Halbieren, teilen oder übertragen lassen sich konkrete, zeitaufwendige Aufgaben oder Tätigkeiten Das ist kein Argument, Mutter oder Vater aus der Verantwortung zu entlassen, vielleicht aber eine Ausrede, keine lästigen Absprachen treffen zu müssen, oder Verantwortung abzugeben.

„Mental Load“  lässt sich sowieso bei Kindern nicht halbieren. Warum auch? Es sind und bleiben doch meine Kinder. Für Mütter, für Väter, getrennt oder zusammen.

 

Erschreckend: Dass wir von Mutter/Frau oder Vater/Mann reden und nicht von Eltern oder Elternteilen, oder Elternpersonen.

 

Fazit

Grundlage des Diskurses sind nicht neue Gedanken, Überlegungen, Erfahrungswerte, prognostische Erwägungen, sondern festgefahrene, fertige Zementbrocken, die man sich gegenseitig vor die Füße wirft. Das erstickt Kreativität und Weiterentwicklungen im Keim. Individualpsychologisch, gesellschaftlich und politisch. Da helfen auch keine auflockernden musikalischen Einlagen.

Ich hoffe trotzdem auf Weiterentwicklung, und werde mich auch weiterhin dafür einsetzen.

 

Charlotte Michel-Biegel

November, 2023

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